Theorie
Die Möglichkeiten, in welcher Form man das Jungbier abfüllt und die nötige Karbonisierung (CO2) ins Bier bekommt, lassen sich grob in drei Techniken einteilen:
2. Abfüllen des endvergorenen Bieres nach Speise- oder Zuckerzugabe
3. Nachgärung im Fass mit und ohne Speise - Abfüllen unter Druck
1. Grünschlauchen oder "Pass auf, dass es nicht knallt!"
Den optimalen Abfüllzeitpunkt beim so genannten "Grünschlauchen" zu bestimmen ist zunächst eine knifflige Angelegenheit. Die Gärung sollte zwar weitestgehend abgeschlossen sein, jedoch noch nicht vollständig, denn es soll sich ja in der Flasche durch den vorhandenen Restzucker noch etwas Kohlensäure bilden können. Als Faustwert kann man rund 0,5°Plato über dem Endvergärungsgrad (vorher mit einer Schnellvergärungsprobe ermittelt) annehmen. Wird der Abfüllzeitpunkt jedoch zu spät gewählt, ist im Jungbier nicht mehr genügend vergärbarer Zucker, um eine ausreichende Menge an Kohlensäure zu bilden - das Bier wird schal schmecken. Der andere Fall, ein übereiltes Abfüllen, führt zu übermäßiger Kohlensäurebildung, was zu unangenehmen Folgen führen kann. Intakte Bierflaschen haben einen relativ hohen Berstdruck, aber geplatzte Flaschen sind im Hobbybrauerbereich nichts Unerhörtes. Wenn ein ansonsten fehlerlos gebrautes Bier am Ende durch eine schlechte Karbonisierung lasch schmeckt oder das Bier beim Öffnen fontänenartig aus der Flasche sprutzt ärgert man sich zudem...hüstel...grün. Von Feinjustierung des Kohlensäuregehaltes kann zudem keine Rede sein. Also, alles in allem eine sehr heikle Angelegenheit und ich würde generell davon abraten.
2. Abfüllen des endvergorenen Bieres nach Speise- oder Zuckerzugabe
Es gibt jedoch eine sehr elegante Lösung dieses Problems. Man nimmt vor(!) der Hefezugabe einen Teil der Würze ab (so genannte "Speise") und gibt diese dann, nachdem die Gärung der restliche Würze vollständig zum Erliegen gekommen ist, wieder zur endvergorenen Würze in den Gärbehälter. Danach wird vorsichtig umgerührt (keine Hefe aufwirbeln!) und abgefüllt. Alternativ kann die Speise z.B. mit einer kleinen Spritze auch in die Flaschen vorgelegt werden. Der Restzucker der Speise sorgt während der Nachgärung für die gewünschte Kohlensäurebildung und damit auch für den richtigen Druck in den Flaschen. Als grober Anhaltspunkt geistert in der Hobbybrauerliteratur häufig ein Wert von 5-10% Speise bezogen auf die Würzemenge umher. Davon halte ich nicht viel - einfach too risky! Man muss dabei einfach im Hinterkopf behalten, dass die entstehende CO2-Menge natürlich vom Zuckergehalt (sprich: der Stammwürze) der Speise abhängt. Zudem vernachlässigt dieser Faustwert auch, dass die Menge an gewünschter Karbonisierung sortenabhängig ist (ein Weizen braucht mehr, ein Pale Ale weniger CO2, dazu weiter unten mehr). An Stelle von Speise kann dem endvergorenen Jungbier auch Zucker (z.B. normaler Haushaltszucker) oder Traubenzucker (Glukose) zugefügt werden, der dann für die nötige Karbonisierung sorgt. Ein paar wenige Überlegungen helfen die benötigte Speise- bzw. Zuckermenge relativ genau abzuschätzen zu können:
1. im Jungbier ist schon eine gewisse Menge CO2 gelöst, welche im Prinzip nur von der Lufttemperatur abhängt (Abbildung 1). Mit zunehmehmender Temperatur sinkt die CO2-Konzentration im endvergorenen Jungbier ab (bei kälteren Temperaturen kann sich einfach mehr CO2 in der Würze lösen). Liegt die Sättigungskonzentration bei 10°C bei 2,3 g/l, ist bei 20°C nur 1,7 g/l gelöst.
Abbildung 1: Temperaturabhängikeit der CO2-Sättigungskonzentration
2. die CO2-Konzentration, welche später im fertigen Bier gewünscht ist, hängt von der Biersorte ab (Tabelle 1). Die Differenz aus der gewünschten CO2-Konzentration und der CO2-Konzentration, welche schon im Jungbier ist (siehe Punkt 1), ist die Menge an CO2, welche wir dem Bier noch zuführen müssen. Wenn wir z.B. ein endvergorenes Stout mit einer Zielkarbonisierung von 4.5 g/l bei 20°C abfüllen (bei 20°C schon vorhanden: 1.7 g/l), müssen wir dem "Jungstout" noch 2.8 g CO2/l zuführen.
3. Die Differenz aus Stammwürze und Tatsächlichem Restextrakt der Speise bestimmt die Menge an vergärbarem Zucker und damit die potentielle Menge an CO2, welche wir durch ein definiertes Volumen Speise einem definierten Volumen Jungbier zuführen. Bei Zugabe von Haushaltszucker wird angenommen, dass der Zucker vollständig von der Hefe vergoren wird (bei Traubenzucker ist es etwas weniger, siehe mehr dazu unter Punkt 4).
4. Theoretisch entstehen während der Gärung aus 100 g Würzezucker / Zucker 51.1 g Ethanol und 48.9 g CO2 (+Energie). Diese Darstellung vernachlässigt etwas, dass die Hefe sich in gewissen Umfang auch vermehrt und neben Ethanol in geringem Maß auch andere Stoffwechselprodukte wie z.B. Milchsäure, Glycerol oder Succinat synthetisiert werden. Realistischer ist deshalb die Annahme, dass aus 100 g Würzezucker + 0.5 g Aminosäure (für das Hefewachstum) nur 48.8 g Ethanol und 46.8 g CO2 entstehen (+5 g Hefe (Trockengewicht) + Energie) [Quelle: J.S. Hough, "The Biotechnology of Malting and Brewing, Cambridge University Press, 1985]. D.h., sowohl die resultierende CO2 Menge als auch die Menge gebildeten Ethanols liegen rund 4% niedriger. Wird Traubenzucker (Glukose) verwendet muss noch beachtet werden, dass handelsüblicher Traubenzucker als Glukose Monohydrat vorliegt. Der Wasseranteil (das Monohydrat) liegt bei ca. 9%. Haushaltszucker (Saccharose, ein Disaccharid aus Glukose und Fruktose) enthält im Gegensatz dazu kaum Wasser (<0.1%). Bei der Berechnung der zuzugebenden Menge Zucker muss bei Verwendung Traubenzucker daher 9% mehr Zucker zugesetzt werden als Haushaltszucker.
Zum Abfüllen (mit Schlauch oder Trichter, besser sind spezielle Abfüllröhrchen) haben sich Flaschen mit Bügelverschluss bewährt. Auch "normale" Bierflaschen mit Kronkorken sind geeignet, man benötigt dazu jedoch ein spezielles Verschließgerät (kostet allerdings nicht viel). Der Vorteil von Bügelflaschen liegt darin, dass man während der Nachgärung eventuell zu hohen Druck in den Flaschen schnell ablassen kann (das empfiehlt sich ohnehin wenn man noch nicht viel Erfahrung Speisezugabe besitzt und ganz besonders beim Grünschlauchen). Wichtig ist vor allem den Sauerstoffeintrag während des Abfüllens gering zu halten. Da Sauerstoff, insbesondere im Zusammenhang mit der Speisegabe, die Vermehrung der im Jungbier befindlichen Hefezellen fördert, führt dies zu deutlich trüberem Bier. Ohne Sauerstoff beschränkt sich die Hefe lediglich auf den "Arbeitsstoffwechsel", sprich Alkohol- und Kohlendioxidbildung.
3. Nachgärung im Fass mit und ohne Speise - Abfüllen unter Druck
Der wohl eleganteste Weg ist das Abfüllen in Fässer (engl. Kegs). Entweder "grün" oder mit Speise. Viele Hobbybrauer sind der Meinung, dass der beste Weg auch hier eine Karbonisierung mit Speise oder Zucker ist. Erstens weil man theoretisch auf eine Spundung verzichten kann und zweitens weil das Bier möglicherweise klarer wird, da weniger Hefe ins Nachgärfass gezogen wird wenn das Bier endvergoren ist. Alternativ kann das Jungbier auch "grün", also >0,5°Plato über Endvergärungsgrad, ins Nachgärfass geschlaucht werden. Wer Angst vor zuviel Hefe im Fass hat, kann das Bier ja am Ende auch noch mal in ein neues Fass umdrücken (oder / und das Steigrohr einige Milimeter kürzen, damit man die abgesetzte Hefe beim Zapfen oder Abfüllen nicht mitzieht). Wenn "grün" abgefüllt wird, ist ein Spundungsventil essentiell (siehe unten).
Leichte Biere sollten jetzt mindestens 3-4 Wochen im Fass reifen. Stärkere Biere entsprechend länger und sehr starke Biere, solange bis der Durst einfach zu gross wird. Es empfielt sich an den Kegverschluss eine sogenannte Spundungsapparatur anzubringen. Im einfachsten Fall wird am dafür benötigten Zapfkopf auf CO2-Seite ein Schlauch mit Y-Stück angebracht, auf der einen Seite kommt ein Manometer dran, auf der anderen Seite einfach eine Klemme (das / die Lippenventil(e) im Zapfkopf müssen vorher umgedreht werden, es soll ja CO2 raus und nicht rein). Wird der Druck im Fass zu hoch kann man durch Öffnen der Klemme einfach etwas Druck ablassen (was dem Druckablassen in den Bügelflaschen entspricht). Den richtigen Druck zur gewünschten Karbonisierung ermittelt man aus sog. Spundungsdiagrammen oder nutzt den Spunddruckrechner dieser Seite). Anstelle der Klemme kann man auch ein so genanntes Spundungsventil verwenden, das sich ab einem eingestellten Druck selbstätig öffnet und wieder verschließt. Wenn die Karbonisierung mittels Speise oder Traubenzucker realisiert wird (benötigte Mengen vorher ausrechnen!) kann auf eine Spundung auch verzichtet werden.
Das Bier könnte nun theoretisch einfach gezapft werden. Oft soll das Bier jedoch auf Flaschen gezogen werden, was jedoch unter Gegendruck geschehen muss, d.h. in der zu befüllenden Flasche muss in etwa der gleiche Druck (ein Tick weniger) wie im Fass herrschen, da das Bier beim Befüllen der Flaschen sonst gnadenlos schäumt. Solche Gegendruckabfüller gibt es fix und fertig im Handel, allerdings häufig bei schlechter Qualität (Billigkunststoff etc.) und meist überpreist. Allerdings finden sich auch Anleitungen zum Selbstbau im Internet (Stichwort: Gegendruckabfüller).
Die von uns Hobbybrauern verwendeten Fässer sind i.d.R. handelsüblicher Natur mit Flach- oder Korbfitting. Das Öffnen der leergetrunkenen Fässer kann allerdings ein Problem sein - mit ein paar Tricks hat man jedoch meist Erfolg:
a) Fässer mit Flachkopffitting: im Flachkopf befindet sich ein kleines Loch - einfach mit Schraubendreher und Hammer mit vorsichtiger Gewalt entgegen dem Uhrzeigersinn schlagen bis sich das Steigrohr leicht rausdrehen lässt.
b) Fässer mit Korbfitting: ein 30er Ringschlüssel in den entsprechend der zwei "Nasen" des Kegkopfes zwei Nuten eingefeilt worden - aufsetzen und dann mit Kraft, vielleicht mit Gummihammer nachhelfen, entgegen dem Uhrzeigersinn arbeiten. Vorsicht, wenn noch viel Druck im Fass sein sollte!
Da ich nicht zur Anstiftung von Diebstahl zur Rechenschaft gezogen werden möchte, weise ich an dieser Stelle allerdings ausdrücklich darauf hin, dass leergetrunkene Fässer prinzipiell Eigentum der jeweiligen Brauerei sind!